Beiträge zur Novellierung des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt
Diplomarbeit an der Universität Gesamthochschule Kassel
von Martin Weidauer
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Straßenbau ist nicht per se der Garant für Reichtum und Wohlstand, und schon gar nicht für Freiheit und Mobilität in Mitteleuropa. Gesellschaftlicher Wohlstand drückt sich vielmehr in der Qualität und Quantität von Mobilität aus. Der Verkehr ist der Aufwand zur Entfernungsüberwindung und somit Mittel zum Zweck, mobil zu sein. Mitnichten ist er Gradmesser für Wohlstand.
Die Straßen verursachen, zusammen mit den darunter liegenden Infrastrukturträgern, eine der höchsten Ausgaben, die sich unsere Gesellschaft großflächig leistet, ohne den Bürgern direkte Mitbestimmung oder gar Wahlfreiheiten zu ermöglichen. Scheinbar selbstverständlich wird die Vorhaltung zentral bestimmt ohne Nachfragekontrolle durch Preise und ohne echte Variantendiskussion.
Unter den heutigen Verhältnissen stehen die Wechselbeziehungen zwischen Bebauungs- und Verkehrsstrukturen bezüglich Ursache und Wirkung auf dem Kopf. Weil Verkehr weder marktwirtschaftlich gehandelt wird noch sämtliche Kosten deckend zur freien und scheinbar unbegrenzten Verfügung im Angebot ist, entwickeln sich räumliche Strukturen, die nicht im geringsten an ökonomischer und ökologischer Effizienz ausgerichtet sind und deshalb den Kriterien der Nachhaltigkeit zuwider laufen. Keine Abhilfe bringt das Appellieren an den "guten Willen" der Verbraucher, etwas weniger (weit) herumzufahren, sondern nur die ehrliche Anrechnung durch die Herstellung von Kostenwahrheit.
Das Umsteuern sollte eher bald und sanft angegangen werden, bevor die gesamtwirtschaftlichen und privaten Verluste durch fehlgesteuerte Siedlungs- und Verkehrspolitik unvertretbare Ausmaße angenommen haben. Als ungeeigneter Weg wird die Privatisierung der Straßen betrachtet, weil diese Infrastruktur als immobiles Gut nicht frei handelbar ist und Monopole entstünden. Dennoch muss die Gesellschaft ihr Eigentum bewirtschaften, um zu gerechten Kosten und Lasten zu kommen.
Aus der Dezentralisierung der Verantwortung für Straßen ergeben sich erhebliche Chancen für die Integration städtebaulicher und landschaftlicher Belange sowie zur Stärkung von Mitbestimmung und Kostenbewusstsein in der Gesellschaft. Tatsächlich wäre es eine Verbesserung der demokratischen Freiheit, wenn eine Kommune als politischen Grundkonsens beschließt, ihre begrenzten finanziellen Mittel beispielsweise mehr in die Bildung ihrer Bürger und weniger in Straßen zu investieren. Warum sollen übergeordnete Instanzen und Kontrollbehörden darüber wachen?
Weder Kohäsion noch Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sind gefährdet, solange die freie Wahl der Fortbewegung und des Wohnortes gegeben sind. Und diese Freiheit impliziert nicht gleichzeitig, dass diese Dinge überall in Deutschland zu den gleichen finanziellen Konditionen erhältlich sind (vgl. Brot und Abwasser). Schon allein der föderale Anspruch der Bundesrepublik Deutschland und die differenzierte Struktur des Bundeslandes Sachsen-Anhalt verlangen nach angepassten Lösungen. Sachsen-Anhalt ist überall verschiedenartig und wird an jeder Stelle von seiner regionalen Identität geprägt. Diese Vielfalt soll sich auch in der Gestaltung der Straßen als den wesentlichen öffentlichen Räume widerspiegeln.
Im Straßenbau existiert nicht nur eine richtige bzw. sichere Lösung (vgl. Architektur). In der Abwägung konkurrierender Ansprüche werden Interessen bevor- oder benachteiligt und lassen unterschiedliche Ergebnisse entstehen. Die anzulegenden Parameter wurden ausführlich erläutert. Nur im öffentlichen Diskurs kann eine Abstimmung erfolgen und den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden auf politischem Weg Einfluss auf ihre Lebensqualität zu nehmen. Planung muss durch Einbringung von technischem Sachverstand die Abwägung erst ermöglichen. Dafür soll ein novelliertes Straßengesetz den Rahmen bilden, der faire Spielregeln vorgibt. Insgesamt ist dies ein Plädoyer für Normen des Straßenbaus, die Dauerhaftigkeit, bautechnische und Verkehrssicherheit gewährleisten, sofern die Begünstigung überhöhter Geschwindigkeiten und wachsenden Verkehrsaufwandes ausgeschlossen werden.
Die Novellierung des Straßengesetzes muss die Entwicklung im Hinblick auf die formulierten allgemeinen Ziele verbesserte Mobilität, räumliche Integration, Subsidiarität und Kostenwahrheit forcieren. Auf den ersten Blick werden einige rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen die Umsetzung der Gesetzgebungsvorschläge hemmen. Langfristig scheint die Notwendigkeit dazu jedoch unumgänglich, wenn Sachsen-Anhalt weiterhin progressive Landesentwicklung betreiben und nicht unter der Kostenlast der Infrastruktur zukünftige Handlungsspielräume einbüßen will. Das heutige Verkehrssystem bindet Ressourcen, die an anderer Stelle dringend benötigt würden.
Auf vier Thesen konzentriert, steht diese Arbeit für:
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Zur Situation des Straßenwesens in Sachsen-Anhalt 6
3 Allgemeine Ziele der Gesetzesnovelle 13
4 Diskussion einiger Perspektiven des Straßenwesens 22
5 Empfehlungen für das Straßenwesen in Sachsen-Anhalt 55
6 Weiterer Handlungsbedarf 59
7 Zusammenfassung 62
Anhang 64
I Eindrücke aus Sachsen-Anhalt in Bildern 64
II Verzeichnis der Gesprächspartner 72
III Abkürzungsverzeichnis 73
IV Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 74
V Literaturverzeichnis 75
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