Anhörung der Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag am 5.1.2001

Leitideen im Bereich Verkehr liegen bei Reformen für ökologische und ökonomische Effizienz: Verstetigung und Harmonisierung der Verkehre im mittleren Geschwindigkeitsbereich, differenzierte Kostenanrechnung aller Kosten und Lasten an die Nutzer, und breiter Wettbewerb verschiedener Technischer Standards. Dann können neue Anwendungen bekannter Techniken die ökonomische und ökologische Effizienz der bekannten (und später auch eventueller „innovativer“) Verkehrs- und Energieträger verdoppeln. Dagegen lenkt die alleinige Konzentration auf „innovative“ Träger von den aktuellen Handlungsnotwendigkeiten ab – mit vagen Versprechungen für eine ferne Zukunft, die die heutigen Akteure nicht einlösen müssen.

1. Herkömliche Verkehrsträger, Effizienzpotentiale...

Beim Straßensystem sind Beispiele, auch nachrüstbar: Tempo-/Beschleunigungs-/Drehzahlbegrenzer mit entsprechenden Vorschriften für Emissionen, Tempo- und Beschleunigungsvereinheitlichungen und generellem Überholverbot; Road/Park-Pricing-Abrechnungsgeräte; Flächendeckende Telematikausrüstung des Straßennetzes für ÖPNV-Vorrang. In der Konstruktion werden dann weitere Potentiale berücksichtigt werden können: Leichtbau für max 120 km/h, Stauabschaltung, Kurzzeitenergiespeicher, Schmal-/Spar-/Flüsterreifen. Im Straßenbau liegen große Potentiale bei Umbaustandards von der Hochgeschwindigkeit auf Mengenleistungsfähigkeit, Verträglichkeit und Tempolimits. Beim Schienensystem sind Beispiele rechnergestützte Einzelradlenkung für geringsten Lärm, Verbrauch und Verschleiß; Kombinationen von Triebwagen mit modernster schwacher Dieselelektrik mit Boosterstrecken mit Linearmotoren; Logistik für höchste Streckenauslastung mit Integration von Schiene/Straße, Nah/Fern, Personen/Güter.

2. Primärenergie, CO2...

Hohe Energie- und CO2-Abgaben. Wegen naheliegender Ausweichstrategien sollten diese aber nicht verkehrsbezogen (und schon gar nicht nur betriebsbezogen!) sein, sondern alle Verbraucher gleich betreffen. Darüberhinaus müssen die Einnahmen automatisch gleichverteilt werden, damit Verbrauch und Emission nicht zum Einnahmeinteresse des Staates oder andere mächtiger Teilgruppen werden wie bei der derzeitigen Öko-Steuer.

3. Technische Neuerungen...

Alle technischen Möglichkeiten sind theoretisch bekannt. Es bestehen höchste wirtschaftliche und ökologische Potentiale. Es fehlen Wettbewerb und Anreize, sie zur Großserienreife zu bringen. Die derzeitigen Randbedingungen belohnen stattdessen Akteure (Anbieter und Nachfrager), die die vorhandenen Systeme noch restaurativer, teurer und ineffizienter machen. Hierzu ist eine breite Forschungs- und Öffentlichkeitsinitiative außerhalb der derzeitigen Verkehrsmonopole notwendig.

4. Verkehrsleitsysteme...

Derzeit werden Verkehrsleitsysteme völlig ineffizient für angebliche Überlastungsvermeidung eingebaut, die sie nicht leisten können. Stattdessen sollten sie flächendeckend ÖV-Vorrang und ÖV-Logistik anbieten. Im MIV sollten sie die Harmonisierung der Fahrabläufe (Tempo-, Beschleunigungs- und Drehzahlvereinheitlichung) regeln und sicherstellen. Außerdem sollten sie unter Nutzung von UMTS und Galileo differenziert alle Verkehrspreise transparent machen und datengeschützt zurechnen: MIV und ÖV, Fahren und Parken, flächen- und zeitdeckend alle Straßen.

5. Vernetzung Schiene-Straße...

Die Voraussetzungen sind für den MIV prinzipiell nicht gegeben, da das Schienensystem nur an urbanen Stationen in Stadt und Land wegen der dort hohen Ein-und Aussteigerzahlen effizient sein kann, während das MIV-System wegen seines Platzbedarfes nur in dispersen Siedlungsstrukturen in Stadt und Land effizient sein kann. Im Güterverkehr sind die Effizienzpotentiale der Verlagerung auf die Schiene marginal. Innerhalb des ÖPV sind Vernetzungen sinnvoll durch Integration von Nah- und Fernverkehren, Takten, Tarifen, Schnittstellen, Bahnen und Bussen, durch ergänzende Bus-Express- und -komfortlinien, durch flächendeckenden ÖV-Vorrang auf dem Straßennetz, sowie durch eine den Kosten entsprechende starke siedlungsstrukturelle Differenzierung der Preise und Angebote, damit die Siedlungsnachfrage in den Stationsumfeldern nicht verhindert wird.

6. Integrierter Verkehr insgesamt...

Wie 5. Erhebliche Potentiale hat darüberhinaus die Integration des Personen-Luftverkehrs an Bus-und Bahn.

7. 3l / 1,5l – Auto...

Für den eigentlichen Sinn der Forderung „Energieeinsparung“ gibt es hohe Potentiale. Wenn allerdings das plakative Schlagwort wörtlich umgesetzt wird (wie es derzeit einige Hersteller tun), verkehrt sich der Sinn ins Gegenteil: Der Energiebedarf wird insgesamt erhöht und verlagert auf Herstellung, Entsorgung, Unfallfolgen, Zusätzliche Fahrten und Fahrzeuge. Das ökologische Auto ist nicht klein, schnell, und schwer, sondern groß, langsam, und leicht.

8. Staatliche Anreize...

Rohstoff-, Energie und Abgasabgaben; Flächendeckendes Road+Park-Pricing nach Kostendeckung und Knappheiten; Regeln für harmonisierten, konkurrenzfreien Verkehrsablauf (Tempo-, Drehzahl- und Beschleunigungslimits), die sofort mehrheitsfähig werden, wenn die wahren Kosten nicht mehr verschleiert werden; offener Wettbewerb bei Technikstandards; Emissionsstandards nach dem möglichen statt nach dem vorhandenen Stand der technischen Serienfähigkeit. Langfristige Kontinuität der staatlichen Randbedingungen.

9. Politik der Verkehrsvermeidung...

Keine staatliche Besserwisserei , Beglückung oder Bestrafung durch „konservative“ oder „progressive“ Funktionäre, sondern Verkehrsreform durch Einführung sozialer und ökologischer Marktwirtschaft im gesamten Verkehrswesen.

10. Rahmenbedingungen...

Soziale und ökologische Marktwirtschaft im Verkehrswesen: Verkehrspreise auf bestehenden Anlagen nach Kostendeckung oder Knappheiten; Erweiterungen nur in wenigen Einzelfällen bei marktgerechter Vollkostenrentabilität; Preise einschließlich Verzinsung, Abschreibung und Flächenkosten für die bestehenden Investitionen und Anlagen als allgemeine Rendite für die Eigentümer ohne Zweckbindung; bei Gebietsmonopolen („Infrastruktur“) keine Privatisierung, sondern sorgfältige Kostentransparenz und –kontrolle.

11. Flugverkehr...

Tempolimits, Flughöhenreduzierung, Vollkostenanrechnung einschließlich aller Umweltkosten und der Verzinsung des bisher investierten öffentlichen Kapitals.

12. Wasserstofftechnologie...

Die Wasserstofftechnologie ist eine von mehreren Optionen für stationäre Energieanlagen im globalen 50-Jahres-Horizont. Wegen der prinzipiell sehr großen Ineffizienz von Transport und Lagerung von Wasserstoff in Fahrzeugen wäre es aber sinnvoll, zunächst weltweit alle fossilen stationären Anlagen umzurüsten. Damit würde die Verwendung fossiler Treibstoffe in Fahrzeugen zeitlich gestreckt. Selbst die Gewinnung von Offshore-Methan oder die Verflüssigung von Kohle, Ölschiefern- und -sanden dürfte effizienter sein als die Wasserstofftechnologie für Fahrzeuge – jedenfalls für Straßenfahrzeuge und mindestens für PKW (auch langfristig und auch im Hinblick auf Emissionen). Damit sind selbst bei weltweitem Verkehrswachstum auf alle überschaubaren Zeiträume erst alle anderen effizienzerhöhenden Maßnahmen zweckmäßig und entsprechende Entwicklungen und Investitionen im Wasserstoffbereich (z.B. Tankstellennetz, Brennstoffzelle für PKW u.a.) nicht gerechtfertigt.