Green the Future - Technologiekongreß
Forum D: Neuer Antrieb für die mobile Gesellschaft

Thesen von Hans-Henning von Winning,

München, 8.10.2000

These 1:     Treibstoff und Energiespeicher der "Mobile" werden auf überschaubare Zeiträume Benzin und Diesel bleiben. Wasserstoff bleibt Illusion wegen seiner fragwürdigen Gewinnung.

Die Gewinnung von Wasserstoff erfordert entweder Kernkraftwerke oder aufwendigen Transport aus dem Süden. Es ist keine leichte, sichere und unaufwendige Speicherung in Fahrzeugen absehbar. Als Teil eines langfristigen Gesamtenergiekonzeptes ist Wasserstoff eine Option, steht aber in Konkurrenz z.B. mit Geothermie, Kernfusion, Methanhydrat aus dem Küstenschelf und anderen. Alle diese sind besser geeignet, um zuerst weltweit alle stationäre Anlagen umzustellen. Dadurch zusätzlich gestreckte fossile Reserven machen Benzin und Diesel langfristig ökonomisch und ökologisch unschlagbar in Fahrzeugen, zumal hier noch erhebliche Verbesserungspotentiale liegen.
 

These 2:     Riesige Verbesserungspotentiale für Mobilität und Verträglichkeit liegen in der Abregelung schädlicher Dynamiken. Dann erschließt sich eine breite Palette neuer Techniken für eine Effizienzrevolution.

Anstelle technisch und populistisch wohlfeiler Höchstleistung um jeden Preis treten Optimierung und Wirkungsgrad im Hinblick auf Energie-, Stoff- und Flächenentwertung. Anstelle von Höchstgeschwindigkeitskonkurrenzen treten kultivierte soziale Arrangements für Zuverlässigkeit als wichtigste Mobilitätseigenschaft für alle Zweckzusammenhänge. Anstelle von Stau und Knappheit treten die bewährten Mechanismen einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft. Unter diesen Zweckbestimmungen müssen neue wie auch schon länger bekannte Techniken und Anwendungen erneut auf den Prüfstand einer Prioritätenliste für nachhaltige Mobilität.
 

These 3:     Im Öffentlichen Verkehr heißt das z.B.: Europaweite höchst komfortable Vernetzung urbaner Haltepunkte, koordinierte Vertaktung von Flugzeug, Bahn, Bus, sowie Nah- und Güterverkehr, mittlerer Geschwindigkeitsbereich.

Einige Stichworte für technische Innovationen sind dazu: Für alle Verkehrsträger Hochleistungslogistik im Personen und Güterverkehr mit modernster IT-Anwendung. Für das Schienensystem rechnergesteuerte Einzelradlenkung zur Minimierung von Lärm und Verschleiß; Trassenbegradigung durch innovative Mischantriebe aus gleisseitigem Langstator für Teilstrecken und ergänzender fahrzeugseitiger Dieselelektrik in Triebwagen; Systemoptimierung bei etwa 160 km/h. Für das Straßensystem flächendeckender Busvorrang durch elektronisch gesteuerte Pulkführung und Staumanagement. Im Luftverkehr Umweltoptimierung von Flughöhen, Fluggeschwindigkeiten, Lärm- und Abgasstandards sowie Flugzeuggrößen.
 

These 4:     Im Autoverkehr heißt das z.B.: Flächendeckendes Road+Park-Pricing; Regeln und Technik für harmonisierte Verkehrsabläufe ohne Hochgeschwindigkeiten, Extrembeschleunigungen, Überholkonkurrenzen.

Marktgerechte Zurechnung aller Kosten an alle Autofahrer einzeln, damit die Kosten und die Zahlungsbereitschaft der Verkehrskunden (statt Funktionärsweisheit!) zu Kriterien für Bedarf, Knappheiten oder Neuinvestitionen werden, und damit die Eigentümer der Straßen und Parkplätze wenigstens eine Minimalrendite für ihr eingesetztes Kapital erhalten; hierfür statt hoher Treibstoffsteuer Einführung eines flächendeckenden, datengeschützten, UMTS/Galileo-gestützten, alle Kraftfahrzeuge umfassenden Road+Park-Pricing Systems, da nur so Stauvermeidung, Nachfrageschwankungen, sowie Kostenunterschiede zwischen urbanen, suburbanen und ländlichen Straßen berücksichtigt werden können. Verstetigung und Dämpfung der Betriebs- und Fahrabläufe durch Tempolimits (30/60/90/120), Beschleunigungslimits (1,0m/ qsec) und allgemeines Überholverbot; Ausnutzung des dadurch möglichen Potentials zur Verringerung von Kosten und Schäden auf die Hälfte bei verbesserter Mobilität; der Verzicht auf Dynamiken und dem entsprechend verschärfte Umweltstandards werden einen Wettlauf in der Technik von Antrieben und Verbrennungsmotoren veranlassen: vom schnelllaufenden Zweitaktdiesel über stufenlose Leistungsverzweigungsgetriebe mit Schwungradspeicher bis zu Schwingkolbenmotoren mit Direktstromerzeugung für Elektro-Achsmotoren...
 

These 5:     Nachhaltige Mobilitätstechnologie ist eine Gemeinschaftsaufgabe - auch zur Sicherung der Weltmarktfähigkeit. Sie erfordert Rahmenbedingungen für eine unabhängige Grundlagen- und Anwendungsforschung.

Derzeit ist die Industrie unter härtestem kurzfristigen Wettbewerbsdruck gezwungen, ihre Eigenforschung in den Dienst der Verkaufs- und Marketingabteilungen zu stellen und sich hierfür über Drittmittel auch die Universitäten und Großforschungsstellen nutzbar zu machen; gleichzeitig werden Technikstandards vorrangig zur Besitzstandswahrung mißbraucht; für Randmärkte und als Kultursponsoring werden technisch-ökonomisch hoffnungslose Konzepte als Alibi diskutiert. Diese Kombination ist zwangsläufig konservativ bis restaurativ. Für eine Änderung muß die Politik Rahmenbedingungen schaffen: Zum einen sollte eine hochleistungsfähige Industrieforschung unabhängig vom operativen Tagesgeschäft gemacht werden; zum zweiten muß in Universitäten und Großforschungseinrichtungen auch im Anwendungsbereich unter harten technisch-ökonomischen Kriterien Unabhängigkeit von Industrieeinflüssen geschaffen werden. Angesichts der Bedeutung von Mobilität für alle Lebensbereiche ist eine derartige Veränderung der Forschungslandschaft ökologisch wie ökonomisch eine der größten Herausforderungen für Deutschland und Europa.